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Neue Studie zur Suchttherapie aus Dresden: Ersatzstofftherapien sind wirksam - Forscher empfehlen Ausweitung und Optimierung!
Veröffentlicht am: 03.11.2006

Veröffentlicht von: Kim-Astrid Magister
Technische Universität Dresden

Kategorie: überregional
Forschungsergebnisse
Gesellschaft, Medizin und Gesundheitswissenschaften, Psychologie
Druckansicht

Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (3.-5.11.2006) in Berlin

Wie kann Opiatabhängigen besser als bisher geholfen werden?

"Eine Ersatzstofftherapie mit Methadon und Buprenorphin ist bei Opiatabhängigen, die meist zugleich an mehreren chronischen körperlichen und psychischen Krankheiten leiden, wirksam und ohne Alternative", fasst Professor Dr. Hans-Ulrich Wittchen die Ergebnisse einer dreijährigen bundesweiten Studie zusammen. Wittchen, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie am Institut für Klinische, Diagnostische und Differentielle Psychologie der TU Dresden, leitet die weltweit größte Multizenter-Verlaufsstudie (COBRA) an über 2.500 opiatabhängigen Patienten, die als Teilprojekt des BMBF-Suchtforschungsverbunds ASAT durchgeführt wurde.

Die Befunde zeigen, dass Opiatabhängige vielerorts vom medizinischen und psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Versorgungssystem massiv vernachlässigt und in manchen Fällen in der Versorgung sogar stigmatisiert werden.

Trotz teils widriger versorgungsrechtlicher Rahmenbedingungen erreicht man dennoch, so Wittchen, mit der empfohlenen Ersatzstofftherapie in der Routineversorgung durch spezialisierte Substitutionszentren und insbesondere beim suchtmedizinisch qualifizierten Hausarzt eine unerwartet gute Wirksamkeit bei vergleichsweise geringen Fallkosten.

Die ermittelten Daten sprechen für einen unmittelbaren und forcierten Ausbau der Behandlungskapazitäten, um das zunehmende Ausmaß der Fehl- und Mangelversorgung dieser Patientengruppe abzubauen.

Zugleich müssen, folgt man den Studien-Ergebnissen, die rechtlichen Bestimmungen für eine Substitutionstherapie, neu geregelt werden, um die stigmatisierenden Barrieren abzubauen, die die überwiegende Mehrzahl aller Ärzte davon abhalten, eine Substitution in ihrer Praxis anzubieten.

Was waren die konkreten Studien-Ergebnisse?

Die zentralen Schlüsselziele der Ersatzstoff-Therapie mit Methadon und Buprenorphin werden bei der Mehrzahl der untersuchten Patienten erreicht: Erstens ist die Mortalität mit einem Prozent niedrig. Zweitens werden über elf Prozent aller Patienten abstinent oder schaffen im Studienverlauf den Wechsel in eine weiterführende drogenfreie Abstinenztherapie. Auch werden über 65 Prozent aller Patienten erfolgreich über ein Jahr lang in der Therapie gehalten und reduzieren erfolgreich ihren Substanzkonsum.
Und schließlich wird der extrem kritische Gesundheitszustand der Patienten, die meist chronisch körperlich und psychisch krank sind, deutlich gebessert.

Besonders bemerkenswert ist, dass Hausärzte, die nur wenige Patienten und keine speziellen personellen Zusatzressourcen haben, ähnlich gute Ergebnisse erzielen wie die großen Substitutionszentren.

Die medizinischen und sonstigen Gesamtkosten einer Ersatzstoffbehandlung sind angesichts der hohen Krankheitslast der Patienten mit im Mittel 8.100,- Euro/Jahr vergleichsweise niedrig. Die Kosten werden in erster Linie durch die Behandlung der körperlichen Krankheitslast bedingt, während die direkten substitutionsbedingten Kosten pro Fall nur 3.800,- Euro ausmachen. Auch die durchschnittlichen Fallkosten in den kleinen hausärztlichen Einrichtungen sind mit im Mittel 7.100,- Euro günstig.

"Angesichts der außerordentlich widrigen Arbeitssituation von Substitutionsärzten, die nicht nur durch eine unakzeptable bürokratische und gesetzliche Überregulierung, sondern auch durch abwegige und herabwürdigende Presseaktionen ("Kriminelle Mediziner..!", z.B. Spiegel 41/2006) gekennzeichnet sind, sind die COBRA-Befunde ein deutliches Signal zum Umdenken und Handeln", fordern Professor Wittchen und der wissenschaftliche Beirat der COBRA Studie.

Professor Wittchen: "Mit den versorgungsnahen Ergebnissen von COBRA stehen uns nun die lang benötigten Befunde zur Verfügung, um an einer Verbesserung der Therapie- und Versorgungssituation dieser schwerkranken Patientengruppe zu arbeiten."

Die Ergebnisse der Studie werden zum Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (3.-5.11.2006 in Berlin - Pressekonferenz 9:30 -10:30, Ludwig Erhard Haus, Fasanenstrasse 85) durch ein Wissenschaftler-Team unter Leitung von Professor Hans-Ulrich Wittchen vorgestellt.

Weitere Informationen zum COBRA Projekt und zum BMBF Suchtforschungsverbund ASAT unter: http://www.cobra-projekt.de, http://www.asat-verbund.de
Die ausführliche Presseinformation hier: http://www.cobra-projekt.de/presse.pdf
Technische Universität Dresden, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Professor Dr. Hans-Ulrich Wittchen
Adresse: Chemnitzer Straße 46, 01187 Dresden, Tel. +49-351-463-36985, Fax: +49-351-463-36984, E-Mail: wittchen@psychologie.tu-dresden.de
Weitere Informationen:
04.09.2006 - Suchttherapie: Substitutionsmittel in der Cobra Studie

Effizienz der Substitutionsmittel

In Deutschland gibt es je nach Statistik zwischen 168.000 und knapp 300.000 Opiatabhängige, etwa 30 Prozent davon befinden sich in einem Substitutionsprogramm. Im Rahmen von umfassenden Therapiekonzepten arbeiten Ärzte, Psychologen, Soziologen und Sozialarbeiter eng miteinander zusammen, um den Suchtpatienten "clean" zu bekommen.
 
Sucht ist eine Krankheit! Der Betroffene kann nicht einfach aufhören, wenn er es möchte. Der Begriff Substitutionsmittel oder (noch schlimmer) "Ersatzdrogen" ist medizinisch unzutreffend und irreführend. Ziel ist es nicht, einfach eine illegale Droge wie Heroin gegen ein legales Betäubungsmittel zu tauschen. Oberstes Ziel ist die Suchtmittelfreiheit, die Resozialisierung, eine Steigerung der Lebensqualität und ein besserer körperlicher und psychischer Gesundheitsstatus.


Zwei Substitutionsmittel im Vergleich

In Deutschland werden als Substitutionsmittel überwiegend Methadon und Buprenorphin eingesetzt. Erstmal wurde systematisch untersucht, wie sich die Substanzen in der Routineversorgung opiatabhängiger Patienten bewähren. Die COBRA-Studie (Cost-Benefit and Risk Appraisal of Substitution Treatments) wurde auf dem Suchtkongress 2006 in München vorgestellt und hat große Beachtung gefunden. Die Forscher haben die Effizienz der Substitutionsmittel auch im Hinblick auf die Größe der Versorgungseinrichtung getestet.

Über einen Zeitraum von 12 Monaten wurden folgende Aspekte untersucht:
 Todesrate
 Haltequoten
 Abbruchgründe
 Veränderungen im Beigebrauch
 somatischen und psychischer Status
 Lebensqualität
 Unterschiede in den "Outcomes" bezüglich der Substitutionsmittel und der drei verschiedenen Versorgermodelle klein, mittel oder groß. (Erfolgsquote bezogen auf die Größe der Einrichtung).

In der Buprenorphin-Gruppe waren 662, in der Methadongruppe 2.013 und in der Codeingruppe 19 Patienten. 4% der Patienten beendeten die Substitutionstherapie erfolgreich (clean) und weitere 7% wechselten in eine drogenfreie psychosoziale Therapie. Insgesamt waren an der Studie 2.694 Patienten beteiligt.

Todesrate

1% der Substitutionspatienten verstarben im Beobachtungszeitraum, dies entspricht 28 Patienten. Die Substitutionsmittel sind jedoch nicht kausal mit den Todesfällen in Verbindung zu bringen. Gründe, dass Patienten verstarben sind u.a. Beigebrauch anderer Drogen oder Medikamente, Unfälle, Selbstmord, Infektionen wie Sepsis oder HIV, Karzinome oder sonstige Ursachen.

 In der Methadongruppe starben 20,
 in der Buprenorphingruppe 7 und in der
 Codeingruppe ein Patient.

Aktuelle toxikologische Befunde zeigen im Übrigen eine sehr geringe Mortalität unter Buprenorphinsubstitution. 

Haltequote
Die 12 Monate Haltequote (Drogenfreiheit und Therapietreue) lag zwischen 60% und 80%, abhängig von der Dauer der Substitutionstherapie. Bemerkenswert ist, dass die Patienten, die in kleineren Einrichtungen versorgt werden, therapietreuer sind, als die in großen Zentren (77 vs 68%). Kleine Einrichtungen schnitten besonders gut in den Aspekten Motivation zur Drogenfreiheit und gesundheitliche Risikoreduktion ab. Gerade in unterversorgten Regionen könnten kleinere, spezialisierte Zentren den Zugang zu einer Suchttherapie erleichtern.

Abbruchrate

4% der Patienten beendeten die Substitutionstherapie erfolgreich, weitere 7% wechselten in eine drogenfreie psychosoziale Therapie.
 
In dieser Rubrik schneidet Buprenorphin (SUBUTEX ®) vergleichsweise besser als Methadon. Mehr Patienten wurden clean (19,8 % im Vergleich zu 8,7% in der Methadongruppe) und weniger konsumierten neben der Therapie illegale Drogen (11,9 vs 15,7%).

Beigebrauch

Enttäuschend ist sicherlich das Ergebnis, dass eine Vielzahl der Konsumenten neben ihrer Therapie Drogen konsumiert. Der Drogenbeigebrauch reduzierte sich bei Opiaten von 19% auf 16% und bei den anderen Drogen von 49% auf 46%. Bei 7% der Patienten, die zu Studienbeginn auf einen Beigebrauch von Opiaten positiv getestet wurden, wurde auch 12 Monate später Drogen mittels Schnelltest im Urin nachgewiesen. Bei anderen Drogen waren es 82%.

Bei den Patienten die sowohl zu Studienbeginn als auch in der Nachbeobachtungsphase Opiat-Beigebrauch hatten, verschlechterte sich im 12 Monatsverlauf der psychische und somatische Zustand. Bei diesem Aspekt gab es keine Unterschiede beider Substitutionsmittel. In den großen Substitutionszentren befinden sich im Vergleich zu den kleinen Einrichtungen deutlich mehr Patienten, die über den Beobachtungszeitraum durchgehend Opiat-Beigebrauch hatten.

Somatischer und psychischer Status

Der körperliche und psychische Status der untersuchten Substitutionspatienten verbesserte sich im Beobachtungszeitraum signifikant. Buprenorphin verbesserte im Vergleich zu Methadon den Gesundheitsstatus erheblich besser. Insbesondere Herzpatienten und solchen mit Infektionen ging es nach der Therapie bedeutend besser. Besonders für die Substitutionspatienten mit Begleitinfektionen wie Hepatitis oder HIV ist diese Punkt von großer Bedeutung. Nachgewiesenermaßen beeinflusst Buprenorphin dass Immunsystem nicht negativ und hat keinen negativen Einfluss bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen.


Körperlicher Gesundheitsstatus unter beiden Substitutionsmitteln – besonders wenn die Patienten bereits Begleiterkrankungen haben, bessert sich der Status unter Buprenorphin vergleichsweise stärker

Outcome

Wenn nach anfänglichem Schweregrad und anderen Einflussgrößen kontrolliert wird, ergeben sich keine konsistenten Unterschiede zwischen den Substitutionsmitteln. Bei kleinen primärärztlichen Einrichtungen wurden allerdings höhere Haltequoten und ein  geringerer Beigebrauch gefunden.

Resümee
Kleinere Studien haben bereits gezeigt, dass Methadon und Buprenorphin vergleichbar effizient sind. Bis jetzt fehlte eine Studie, die die reale Situation in der Praxis beleuchtet. Die COBRA-Studie hat bewiesen, dass Methadon und Buprenorphin im Gesamtkontext vergleichbar wirksam sind. Betrachtet man den Preis pro Packung, ist Methadon kostengünstiger als Buprenorphin. Wichtiger sind jedoch die Gesamtkosten für eine Substitutionstherapie. Hier schneidet Buprenorphin besser ab. Da unter Methadon mehr Patienten an Hepatitis- und Herzerkrankungen leiden und dafür kostenintensive Medikamente benötigen, die die Methadon-Therapie effektiv kostspieliger.

Umso verwunderlicher ist, dass der Marktanteil des Methadons in Deutschland so hoch ist. In anderen Ländern, beispielsweise Frankreich, wird Buprenorphin, mit sehr gutem Erfolg, in erheblich größerem Umfang eingesetzt.

Es gibt nicht DAS Mittel für DEN Patienten. Der Suchtpatient hat eigene Bedürfnisse, Vorstellungen und Ziele. Buprenorphin ist besonders für den Patienten geeignet, der Begleiterkrankungen hat und geistige Klarheit wünscht. Methadon schränkt erheblich mehr das Reaktionsvermögen ein. Unter Buprenorphin sind die Patienten in der Lage, aktiver ihr Leben zu gestalten und sich Ziele zu setzen. Das Ziel, von der Droge los zu kommen ist dabei das größte und der Weg bis hier hin ist weit.

Literatur:

1. Edwards SW: Biochemistry and physiology of the neutrophil. Edited by Edwards SW. Cambridge, Cambridge University Press, 1994, pp 77-125
2. Hayes MJ, Fraser AR.: Randomised trial comparing buprenorphine versus oral dihydromorphine for chest pain in suspected myocardial infarction, BMJ 1979;2:300-302
3. Lieb, B., Apelt, M.: Beigebrauch währende der Substitutionsbehandlung im Rahmen der COBRA-Studie
4. Malcolm AD, Coltart DJ: Cardiovasculatory effect of strong analegetic agents. In: Harcus AW, Smith R, Whittle, B (eds.) Pain – New Perspectives in Measurement and Management, Edinburgh: Chruchill-Livingstone, 1977: 41-54
5. Scott DHT, Artur GR: Haemodynamic changes following buprenorphine and morphine. Anaesthesia 1980;35:957-961
6. Soyka M, Penning C, Wittchen U (2006): Fatal poisoning in methadone and buprenorphine treated patients – are there differences? Pharmacopsychiatry 39, 85-87
7. Soyka M., Apelt S, Lieb M Wittchen HU., One year mortality rates of patients in methadone and buprenorphine maintainance therapy: A national representiv cohort-study in 2694 patienzs. J Clin Psychopharmacology
8. Soyka M., Mortalität unter Substitutionsbehandlung, Suchtmed, Band 8, Nr.2 (2006)
9. Wittchen, H.U.: Methadon und Buprenorphinbehandlung in der Routineversorgung: Ergebnisse der deutschlandweiten COBRA-Studie von 2694 Patienten.

(Matthias Bastigkeit, Fachdozent für Pharmakologie, Redaktion medizin.de)















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