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                          Link: Fragebogen kindliches ADHS

 

Pharmakotherapie auch bei moderater Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung empfohlen 2018


Mehr als 30 Fachgesellschaften und Berufsverbände haben eine Leitlinie der höchsten Qualitätsstufe vorgelegt, die detaillierte Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) enthält.
Hintergrund
In der neuen Leitlinie wird für die ADHS eine Prävalenz von 5 % bei Kindern und Jugendlichen und von 3 % bei Erwachsenen angegeben. Die macht sie zu einer der häufigsten psychischen Störungen. Außer den Kernsymptomen Aufmerksamkeitsstörung und / oder Impulsivität und Hyperaktivität ist die Krankheit auch mit zahlreichen funktionellen Beeinträchtigungen und einer reduzierten gesundheitsbezogenen Lebensqualität assoziiert, beispielsweise in der Schule, in der Ausbildung, im Beruf sowie in der Gemeinschaft.
Design

Leitlinie der höchsten Qualitätsstufe (S3), erstellt unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. (DGKJP), der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e. V. (DGSPJ) mit Beteiligung von 28 weiteren Fach- und Berufsverbänden.
Hauptergebnisse
Die Richtlinie umfasst in der Langfassung 115 Seiten und beruft sich auf 121 Literaturstellen.
Eine Diagnostik auf ADHS hielten 100 % der Experten für sinnvoll bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Entwicklungs-, Lern- / Leistungs- oder Verhaltensproblemen oder anderen psychischen Störungen und Hinweisen auf Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit und Konzentration oder auf erhöhte Unruhe oder Impulsivität (Empfehlungsgrad B).
Die Diagnostik soll entweder bei einem Facharzt erfolgen oder durch einen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, oder einen Psychologischen Psychotherapeuten (bei Kindern und Jugendlichen mit entsprechender Zusatzqualifikation). Die Diagnostik soll in einer umfassenden strukturierten Exploration des Patienten bestehen, inklusiver aktuelle und früherer Rahmenbedingungen in der Familie und Schule und am Arbeitsplatz.
Bei Kindern im Vorschulalter soll die Diagnose in der Regel nur bei sehr starker Ausprägung der Symptomatik gestellt werden.
Es gibt eine umfassende Liste differentialdiagnostisch abzugrenzender psychischer und somatischer Erkrankungen.
Die Experten verweisen auf die Häufigkeit koexistierender Störungen wie oppositionelles Trotzverhalten (bei Kindern) und andere Störungen des Sozialverhaltens, Tic- und Angststörungen, Substanzkonsum,
Bei der Therapie im Rahmen eines multimodalen therapeutischen Gesamtkonzeptes soll grundsätzlich eine umfassende Psychoedukation angeboten werden, bei Kindern unter 6 Jahren und generell bei leichtem Schweregrad primär psychosozial interveniert werden. Aufgewertet wurde der Stellenwert der Pharmakotherapie bei moderater ADHS. Sie einer intensivierten Psychotherapie gleichgestellt, auch die Kombination beider Verfahren ist möglich. Diesen Empfehlungen stimmten jedoch nur 76,9% der Experten zu.
Klinische Bedeutung
Bis dato gab es in Deutschland keine allgemeingültigen Richtlinien der Qualitätsstufe S3 zur ADHS. Die verfügbaren Therapieempfehlungen werden somit auf eine solidere Basis gestellt. Für Fachärzte und Psychotherapeuten bedeutet dies eine wertvolle Hilfestellung. Dass die öffentliche Diskussion zu mutmaßlichen Überdiagnosen und zu leichtfertiger medikamentöser Therapie dadurch rationaler wird, darf jedoch bezweifelt werden.
Finanzierung: durch die beteiligten Fachgesellschaften.

Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP): Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Online.



 
   
                  

                   Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit / ohne Hyperaktivität


Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit oder ohne Hyperaktivität wird heute als neurobiologisch begründete Störung bzw. Besonderheit des Neurotransmitter-Haushaltes des Gehirns verstanden, woraus neben geringeren neurologischen Auffälligkeiten besonders Verhaltensauffaelligkeiten bzw. sekundaere psychische Probleme und Interaktionsstörungen resultieren koennen. Ich interessiere mich besonders fuer die psychologisch -psychiatrische Fragestellungen , was aber nicht heissen soll, dass ADHD nur eine Störung oder Krankheit ist. Im Gegenteil, viele ADHD-Betroffene haben unglaubliche Fähigkeiten wie Kreativität, Wissensdurst und ungewöhnliche neue Wege Probleme zu beschreiben und zu lösen. Wahrscheinlich treibt mich dieser Anteil auch dazu, mich für das Thema zu engagieren.

 

Anfangen will ich mit dem Thema Diagnose des Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms, hyperaktiver Typus. Das ist eine bewußte Einengung bzw. Begrenzung auf einen Typ, der besonders gut untersucht ist. Ich habe zwischenzeitlich aber den Eindruck, das in vielen Veröffentlichungen die ursprünglichen Aussagen von Prof. Wender aus Utah falsch kopiert bzw. gar nicht gelesen wurden. Daher eng am Original :

 Die Utah - Kriterien des ADHD von P.H. Wender

Ist gleichzeitig ein Taschen-Buchtip : Attention-Deficit-Hyeractivity Disorder in Adults , Oxford University Press, ISBN 0-19-511922-3 englisch , erhältlich z.B. ueber telebuch.de

P.H. Wender ist wahrscheinlich einer der einflussreichsten ADHD-Experten. Mit seiner Arbeitsgruppe hat er seit den 70er Jahren massgeblich die Diagnosekriterien fure Erwachsene mitbestimmt. Die sog. Utah-Kriterien umfassen dabei jedoch nur Teil aller "ADDler" und ist aus Forschungsgruenden enger gefasst als die Kriterien in dem sog. DSM oder ICD-Klassifikationssystem. Die Grundidee ist dabei Patienten zu untersuchen, die als Kind hyperaktiv gewesen sind und noch immer sein koennten bzw. sind. Ausgeschlossen bleiben somit alle, die eben nicht hyperaktiv aber vielleicht unaufmerksam (inattentive) sind. Dies liegt zunächst hauptsaechlich daran, dass hierfür die Beurteilungskriterien sehr schwierig wären. Bewußt ausgeschlossen für diese Forschungskriterien werden Leute mit (häufigen) Begleitstörungen wie Depression, Persönlichkeitsstörungen, aktuellen Drogenproblemen etc.

Dies heisst jedoch nicht, dass diese Störungen nicht im Zusammenhang mit ADHS zu berücksichtigen sind. Wender selbst schreibt hierzu :

Previously undiagnosted "minimal brain dysfunction" (MBD) can be identified in adult life, but the diagnosis is frequently missed because of the patients "noisier" clinical characteristics : antisocial, histrionic, borderline, and explosive traits; alcohol and substance abuse; and chronic mood problems, which are sometimes diagnosed as an adult situational reaction or dysthymic disorder. When these signs and symptoms are causing the patient pain and destroying personal relationship, it is easy to overlook his fidgety hands and restless feed of having had a "short attention span" in elementary school. (Wender, Kapitel 5, Seite 122)

Ausgehend von einer Skala der Kinder-Psychopharmakologie (Conners Abbreviated Rating Scale) setzte Wender auf eine Fremdbeurteilungsskale durch Eltern und / oder Lehrer , die als Conners Scale oder aber Parents Rating Scale (PRS) bekannt ist. Da nicht immer Eltern erreichbar oder bereit waren wurde zusätzlich eine Selbstbeurteilungsskala entwickelt, die typische Symptome aus der Kindheit abfragt und als Wender Utah Rating Scale WURS bekannt ist (deutsche Version von Prof. Trott uebersetzt). Diese Listen bieten zwar Hinweise, aber noch nicht ausreichende Beweise für eine Diagnosestellung, da neben Hinweisen auf ADHS in der Kindheit auch im Erwachsenenalter deutliche Symptome nachweisbar sein müssen.

Für die Kindheit fordert Wender entweder :

Enge Kriterien : Genug Hinweise bzw. Erinnerungen von Eltern auf 8 von 13 DSM-III-R Kriterien des ADHS

oder zwingend :

1. Hyperaktivität , über das durchschnittliche Maß unruhige Kinder, nervös, zappelig, im Rededrang nicht zu bremsen, ruhelos und

2. Aufmerksamkeits-Defizite bzw. geringe Aufmerksamkeits-Spanne, Ablenkbarkeit, Tagträumereien. Weitere Hinweise : Versagen Aufgaben in der Schule oder Hausarbeiten abzuschließen, gilt als vergesslich, erreicht nicht sein volles mögliches Leistungspotential (" könnte , wenn er nur wollte"). Dies ist nicht (primär) auf Lernstörungen oder Intelligenzmangel zurückzuführen.

zusaetzlich sollte 1 weiteres Symptom nachweisbar sein :

3. Verhaltensprobleme in der Schule Schwatzen in der Klasse, wiederholtes Ermahnen durch den Lehrer, gilt als ständiger Unterbrecher , muss deshalb wiederholt nachsitzen.

4. Impulsivität Kann nicht abwarten, bis er dran ist, handelt bevor er nachdenkt, wiederholte Leichtigkeitsunfaell etc.

5. Übererrebbarkeit oder wiederholte Gefühlsausbrüche, neigt zu Streitereien oder wiederholte Kämpfe mit Gleichaltrigen

6. Wutausbrüche


 Für das Erwachsenenalter fordert Wender zusätzlich, dass der Betroffene selbst und mindestens eine nahe Bezugsperson eine Beurteilung abgibt. Hier gilt, dass ADHS-Betroffene relativ schlechte Selbstbeobachter sind und sich selber eher als "unauffällig" beschreiben werden, da sie ja "schon immer" so waren wie sie sind. Veränderungen durch eine Behandlung werden so zunächst vom Betreffenden selber auch gar nicht immer so stark wahrgenommen, fallen dafür Außenstehenden sehr positiv auf.

Andererseits ist natürlich nicht jede erhöhte Ablenkbarkeit ein ADHS ! Die Symptomatik muss lebensgeschichtlich überdauernd und folgenreich für den Betroffenen nachweisbar sein. Man muss an eine Reihe von Differentialdiagnosen denken, so dass auf jeden Fall ein erfahrener Diagnostiker einbezogen werden sollte. Problematisch ist aber eben, dass es genau die in Deutschland noch nicht gibt ! Ich warne aber vor einer Selbstdiagnose mit Screening-Bögen oder anhand von Veröffentlichungen.

Wender hat für die klinische Beurteilung die Targeted Attention-deficit Disorder Symptoms RatingScale TADDS entwickelt. Mir ist bisher keine deutsche authorisierte Version bekannt. Eine eigene Übersetzung möchte ich vielleicht von Wender selber "genehmigen" lassen. Es existieren noch zahlreiche aehliche Symptomchecklisten , wie z.B. die von BROWN. Zusätzlich gibt es Versionen u.a. von Amen, Goldberg; Nadeau sowie eine Sammlung von Charakteristika von Hallowell. Eine Testdiagnostik im psychologischen Sinne ist dies nicht !

Zurück zu WENDER´s Targeted Attention-deficit Disorder Symptoms :

Abgefragt werden dabei als Kernsymptome :

  • Hyperaktivität
  • Verminderte Konzentrationsfähigkeit / Ablenkbarkeit

sowie weiteren Symptomen wie :

  • Gereiztheit / Wutausbrüche
  • Stimmungsschwankungen
  • Überempfindlichkeit / Temperamentausbrüche
  • Desorganisation von Arbeitsabläufen
  • Stress-Intoleranz
  • Impulsivität

 Hyperaktivität

Hyperaktivität tritt bei Erwachsenen nicht in Form von extremer Bewegungsunruhe in Erscheinung. Über die unbekannteren häufigen Formen ohne Hyperaktivität möchte ich noch einmal getrennt eingehen. Wender geht aber eher von "milden" Zeichen aus : wie :

- Ruhelosigkeit in Form von Fingertrommeln, Nesteln, Spielen z.B. mit Gummibändern, Stiften, Haar- bzw. Bartzupfen etc.

- als Wender-sign also "Wender-Zeichen" gilt das schnelle rhythmische Wippen bzw. Bewegen von Füssen oder Knien

- eine Unfähigkeit zur Entspannung / Ruhe z.B. ständige Ruhelosigkeit, frühes Aufstehen am Esstisch, Probleme beim Fernsehen oder Lesen. Starkes Unbehagen bei Situationen der Ruhe oder Bewegungslosigkeit wie z.B. Flugreisen oder Krankheiten.

Hyperaktivität galt "früher" als Kernsymptom des ADHS-Komplexes. Insbesondere nach den Theorien von Barkley zur Behavioralen Inhibition ist die Hyperaktivität wie auch die Aufmerksamkeitsstörungen nicht das Hauptproblem, sondern Folge einer mangelnden "Bremsung" wichiger Impulse , Gedanken, Gefühle, Erinnerungen , Körperwahnehmungen etc.

 Konzentrationsstörungen / Ablenkbarkeit

Der Begriff "Aufmerksamkeits-Defizit" ist eigentlich eine unzutreffende Bezeichnung. Vielmehr sind die Betroffenen zumeist nicht unaufmerksam, sondern folgen vielmehr mehreren (inneren und äußeren) Wahrnehmungen gleichzeitig.

Zum Thema "Konzentration" muss man wissen, dass ADHD-Patienten sehr wohl eine ausgezeichnete selektive Konzentrationsfähigkeit haben können, besonders wenn sie etwas interessiert sind ist die Aufnahmekapazitaet nahezu unbegrenzt. Schwieriger ist es bei der Daueraufmerksamkeit bzw. bei Aufgaben bei denen kein Interesse oder aber ein äußerer Zwang vorhanden ist. Dabei wird eine starke Ablenkbarkeit durch andere Reize bzw. die Unfähigkeit sich nur auf eine Sache dauernd zu konzentrieren deutlich. Hieraus resultieren Kritik von Anderen "Er / Sie könnte nur, wenn mehr Anstrengung / Wille / Fleiß vorhanden wäre ". Die Fähigkeit Aufmerksamkeit bzw. Impulse zu kontrollieren, ist als bei den ADHSlern (wesentlich stärker als bei anderen ) von der Bedeutung und Interesse / Motivation abhängig.

Wichig ist somit, dass in Untersuchungssituationen beim Arzt oder Psychologen oder wenn sog. Konzentrationstests durchgeführt werden, nichts auffallen muss. Die neue und damit herausfordernde Situation bedingt eine Aktivierung des Gehirns, so dass sehr gute Aufmerksamkeitswerte resultieren und die Diagnose "Aufmerksamkeits-Defizit" widersinnig erscheint. Gerade intelligente ADHS-Patienten haben im Laufe des Lebens gelernt, sich auf ihre Besonderheiten einzustellen bzw. sehen sie als normal an, da kein absoluter Vergleich zu anderen möglich ist.

 Gefühlslabilität (affective lability)

Die besondere Empfindlichkeit des ADHS - Betroffenen macht sich auch bei Stimmungen und Gefühlen bemerkbar. Daher fällt offenbar häufiger eine emotionale Instabilität mit raschen Stimmungswechseln zwischen trauriger Verstimmung bis hin zu euphorischen Phasen oder einem Gefühl "auf Draht" bzw. unter Spannung zu stehen auf. Aufgrund der wiederholten Misserfolge bzw. der Eigenwahrnehmung "anders als die anderen" zu sein, stellt sich nicht selten aber auch eine manifeste depressive Entwicklung ein. Kennzeichnend ist besonders die Antriebsschwäche bzw. Probleme bei Tätigkeiten, die ungern gemacht werden oder geistige Anstrengung erfordern würden. Da besonders morgens Probleme auftauchen sowie Schlafstörungen bestehen, wird von Ärzten häufig eine Depression diagnostiziert.

Mir  erscheint es jedoch in der Klinik häufiger so, dass bei potentiellen ADHS-Patienten die Stimmungslabilität bzw. eine dysphorische Verstimmung fälschlich als Dysthymie oder Depressive Verstimmung oder gar als sog. bipolare Störung eingeordnet wird. ADHS´ler haben im Gegensatz zu den "klassischen" depressiven Störungen, die durch eine 2 wöchige bzw. mindestens 2 jährige depressive Phase gekennzeichnet werden, häufigere Stimmungswechsel und können auch in Phasen von "depressiver Verstimmung" sich noch für Dinge begeistern. Die Betroffenen beschreiben also nicht so sehr eine sog. "Anhedonie" = Gefühl der Gefühllosigkeit, sondern fühlen sich irgendwie eingeschränkt, ohne rechten Kontakt zur Außenwelt oder "down" bzw. gelangweilt. Auch wenn sie eben nicht ihr volles Leistungspotential umsetzen können. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist, dass diese Stimmungslabilität eben das ganze Leben über nachweisbar sein muss. Differentialdiagnostisch fallen da dann allenfalls Persönlichkeitsstörungen ins Gewicht. Aber das wäre ein eigenes Thema.....

Also man kann eben auch "Läuse und Flöhe" haben. D.h. ADHS und Depressive Störungen. Diese Patienten werden von Wender aber zunächst für die Forschungskriterien bewusst ausgeschlossen. Behandeln sollte man sie natürlich trotzdem !

 Organisationsprobleme / Desorganisation

Eigentlich ist das ADHS wahrscheinlich auf eine Störung der Impulskontrolle zurückzuführen. D.h. die Betroffenen handeln schneller als sie denken bzw. reflektieren können. Oder mehrere Wahrnehmungen, Gedanken , Vorhaben finden gleichzeitig statt. Besonders "nervig" für Aussenstehende sind daher Gefühlsausbrüche bzw. ein "Ausrasten" bei geringer Frustrationstoleranz.

 Temperamentausbrüche

 Stressintoleranz

 Impulsivität

Ausschlusskriterien für die Utah-Kriterien :

Hierzu gilt : Diese Kriterien schliessen die Behandlungsbedürftigkeit nicht aus ! Sie beziehen sich vielmehr auf wissenschaftliche Kritieren für eine Vergleichbarkeit der Patientengruppen bzw. Behandlungserfolge.

1. Symtome einer bipolaren und depressiven Störung (Major Affecitive Disorder)

2. Zeichen einer Schizophrenie, schizoaffektiven Störungen oder schizotypischen Persönlichkeitsstörung

3. Folgende Symptome der Borderline-Persönlichkeitsstörung

  • ein Muster von instabilen und intensiven interpersonellen Beziehungen, die durch ein Muster von extremer Ueberidealisierung und Abwertung gekennzeichnet sind
  • Wiederholte Suiziddrohungen, -handlungen oder selbstschaedigendes bzw. parasuizidales Verhalten
  • Hochgradige Identititätsstörungen
  • Ausgeprägtes und chronisches Gefühl der inneren Leere
  • Extremes Bemühen ein reales oder imaginäres Verlassenwerden zu verhindern, Angst vor dem Alleinsein

4. Kritierien einer Antisozialen Persoenlichkeitsstörung, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit innerhalb des letzten Jahren, Vorgeschichte eines Stimulantienabusus.

Ich habe noch folgende anamnestischen Hinweise auf ein ADHD gesammelt :

 

  • ADHD(S) / Minimale cerebrale Dysfunktion wurde bereits in Kindheit diagnostiziert (einfachster Fall, wird dennoch uebersehen !) ADHD wächst sich nicht mit dem 18. Lebensjahr "raus", Symptome können auch bei Erwachsenen anhalten
  • ADHS bei Angehörigen wie Eltern oder eigenen Kinder Es besteht eine genetische Prädisposition, so dass häufig auch Eltern bzw. Verwandte 1. Grades betroffen sind. Dies kann sich auch "nur" in einer Neigung zu depressiven Störungen oder Suchterkrankungen in der Familie zeigen
  • Bettnässen nach dem 5. Lebensjahr Bisher wenig untersucht, offenbar aber ein deutliches Zeichen, was auf den Schweregrad rückschließen lässt. Ebenso koennen Schlafwandeln bzw. unruhiger Schlaf (pavor nocturnus) , Krämpfe in den Beinen / Muskelzuckungen mit ADHS im Zusammenhang stehen
  • Schreib- und Lesestörungen Neben sog. Teilleistungsstörungen bzw. Lernstörungen, die ebenfalls mit ADHS im Zusammenhang stehen können, finde ich eine motorische Ungeschicklichkeit mit schlechtem Schriftbild bei Schreibschrift auffällig. Viele ADHSler drücken Stifte extrem auf, oder schreiben nur noch mit dem PC. Zusätzlich kann ein Verdrehen oder Auslassen von Buchstaben oder Wörtern auffallen. Im Unterschied zur Legasthenie besonders bei einfachen Wörtern, während lange komplizierte Begriffe kein Problem darstellen.Ebenfalls auffällig : Viele potentielle ADHS ler sind "Beid-Händer" oder "umerzogene" Linkshänder.
  • Schlafstörungen Bei vielen ADHS-Patienten fallen Schlafstörungen mit Etappenschlaf bzw. fruehmorgendlichem Erwachen auf. Auch nach ausreichender Schlafdauer besteht eine Morgenmuedigkeit, bzw. ein Antriebsmangel. Dies ist nicht auf ein Schlafdefizit zurückzuführen. Vielmehr lassen sich im EEG Dysrythmien bzw. verstärkte Theta und Delta-Aktivität nachweisen, die eigentlich eher in einer Schlafmuster passen.
  • Hypersensibilität / Hyperakusis Häufig finden sich bei der Wahrnehmung fuer verschiedene Sinnesqualitäten eine besondere Empfindlichkeit.
  • paradoxe Medikamenteneffekte Fuer einen Arzt vielleicht am interessantesten : Scheinbar "paradoxe" Medikamenteneffekte wie eine Unwirksamkeit von Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepine oder Neuroleptika, Narkosezwischenfälle, Schmerzmittel (ASS, Benuron) oder Antihistaminika.
  • Suchterkrankungen Häufig findet man bei Alkohol - oder Heroinabhängigkeit ein ADHS ! Auch Cannabis bzw. Amphetamine können von einigen aufgrund der pharmakologischen Eigenschaften als natuerlich unerlaubte "Selbstmedikation" eingesetzt werden. Es gilt allgemein : Bei Drogenabhängigen sollte man eigentlich immer an ein ADHS denken ! Ich habe Kontakt zu einer Schweizer Praxis , die zwischenzeitlich ADHS´ler mit Drogen bzw. Borderlineproblematik sehr erfolgreich auf ADHS screent und mit Ritalin therapiert !
  • Kaffee / Süssigkeitenkonsum sowie Tee , Cola aber auch Schokolade oder Theophyllin bzw. Asthmamittel haben einen stimulierenden Effekt. Ich habe eine Patientin mit bis zu 10 (angeblich sogar 15 l) Kaffee pro Tag als "Selbsttherapieversuch" kennengelernt. Häufiger "milde" Dosen von 3 l. Eine besondere Empfindlichkeit bzw. Unverträglichkeit kann auch auf eine entsprechende neurobiologische Praedisposition hinweisen.

Wie wirkt Methylphenidat eigentlich ?

Methylphenidat ist ein zentralnervös wirkendes Stimulans. Dabei ist die Wirkung durch eine Blockade eines Dopamin-Transporter-Systems im Nervensystem gekennzeichnet. Diese Blockade ist reversibel, d.h. hält nur für die Dauer der Wirkung des Medikamentes an. Nach einer Wirkdauer des Medikamentes von ca 3-5 h (bei den Kurzzeitpräparaten) ist das System wieder im Ausgangszustand.

Kinder (bzw. Jugendliche und Erwachsene) mit ADHS weisen gegenüber Menschen ohne ADHS nun eine höhere Anzahl dieser Dopamintransporter auf. Durch die Blockade dieses Systems wird also ein physiologischer Zustand (entsprechend dem von Nicht-ADHSlern) angeglichen.

Viele (aber nicht alle) Patienten mit ADHS erleben die therapeutische Wirkung der Tablette im Sinne eines "on-off"-Phänomens, was man am ehesten mit einem Schalter vergleichen könnte. Bei richtig eintitrierter Dosierung, also individuell ermittelter Dosis, die ideal für die Beeinflussung des Dopaminsystems bei dem Patienten ist, beschreiben die Patienten eine deutliche Verbesserung der Wahrnehmung und Aufmerksamkeitsfunktionen. Dies wird z.T. wie "ein Vorhang" oder "sich lösender Nebel" beschrieben. Ist die richtige Dosis ermittelt, gelingt es die Aufmerksamkeit ohne besondere Anstrengung zu halten, aber eben auch Gespräche oder Aktivitäten länger zu verfolgen. Das Gehirn ist nicht mehr stark ablenkbar, insbesondere gelingt es wichtige von unwichtigen Informationen (z.b. Nebengeräusche) besser zu filtern.

Diese Effekte sind auf die Dauer der Wirkung des Medikamentes beschränkt.

Wie wirkt nun Ritalin bei Menschen ohne ADHS?

Menschen ohne ADHS können auch eine unspezifische Konzentrations- oder Leistungssteigerung mit Psychostimulanzien erzielen, was ja zum missbräuchlichen Einsatz dieser Substanzgruppe u.a. bei Studenten zur Leistungssteigerung oder Wachheit vor Prüfungen geführt hatte. Zudem wurde die appetithemmende Wirkung als vermeindliche "Appetitzügler" missbraucht. Im wesentlichen herrschen aber für Menschen ohne ADHS eher Effekte auf das sympathische Nervensystem vor. Durch die Aktivierung des Sympathikus wird ein leichtes Unruhegefühl, vielleicht auch Herzrasen oder leichter Blutdruckanstieg ausgelöst. Dies erleben die meisten bereits als unangenehm (vergleichbar starker Nervosität oder einem zu starkem Kaffeekonsum).

Im Gegensatz zu dem deutlich spürbaren "an-aus"-Effekt bei Patienten mit ADHS erleben Menschen ohne ADHS eher eine kontinuierliche und deutlich dosisabhängige Wirkung. Je höher die eingenommene Dosis desto stärker werden auch die empfundenen Missempfindungen sein.

Ein euphorisiernder Effekt tritt bei therapeutischen Dosierungen von Methylphenidat nicht ein. Weder bei "ADHSlern" noch bei anderen Menschen. Entgegen immer wieder vorgebrachten Behauptungen "eignen" sich als therapeutisch eingesetzte Stimulanzien wie Ritalin nicht als Suchtstoffe und haben auch dementsprechend als alleinige Suchtmittel keine klinische Bedeutung.

Es ist eine schlicht unzutreffende Behauptung, dass Eltern Stimulantien an Kinder ohne ADHS abgeben würden, um "Ruhe zu haben". Dafür eignen sich Psychostimulanzien nun sicher nicht. Vielmehr würde ein Kind ohne ADHS bei der Einnahme von Methylphenidat oder Amphetaminen eher kribbelig und unruhig werden.

- Die Diagnostik- und Therapierichtlinien der National Attention Deficit Disorder Association : Ethik der ADHS-Diagnosestellung !

- Behaviorale Inhibition und ADHS : Neurobiologische Grundlagen (Barkley´s Theorien und die Rolle der sogenannten "executive functions" ) --> Aufgaben der Neuropsychologischen Diagnostik !

- ADHS bei Frauen : Kathleen Nadeau und ihre Ideen bzw. Arbeiten

- ADHS und psychische Stoerungen : Prädisposition , Komorbiditaet und Differentialdiagnosen

- ADHS und Persönlichkeitsstörungen

- Verhaltenstherapie bei Erwachsenen (müsste eigentlich Cordula Neuhaus schreiben !)

- ADHS und medizinische Besonderheiten / Pharmakotherapie

- ADHS und Beruf : sozialmedizinische Aspekte (Begutachtung) und Moeglichkeiten

zur Förderung bzw. Anpassung am Arbeitsplatz oder in der Schule / Uni

- Unbekanntere Lern- und Wahrnehmungsstörungen im möglichen Zusammenhang mit ADHS

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